Der Markt für E-Commerce wächst weiter ungebremst. Das sind exzellente Nachrichten für Online-Händler – insbesondere für solche, die wegen des Corona-Lockdowns ihre Ladengeschäfte schließen mussten. Sorgen bereiten aber die ökologischen Auswirkungen dieses Trends – ein Thema, um das sich die Händler im Jahr 2020 aufgrund der Corona-Krise und ihrer Folgen kaum kümmern konnten.

Das ist zuerst verständlich. Dennoch hat die E-Commerce-Branche eine ökologische Verantwortung und muss ihr früher oder später gerecht werden. Schon vor dem Ausbruch der Pandemie verursachten Lieferungen auf der letzten Meile eine hohe CO2-Belastung. Ein Umdenken schien mehr als überfällig. Eine Studie von Accenture zeigt, dass der E-Commerce während der Krise ein gigantisches Wachstum hingelegt hat, vergleichbar mit der Entwicklung der letzten zehn Jahre. Vor diesem Hintergrund ist das Thema „Nachhaltigkeit in der Logistik“ topaktuell. Laut einem Bericht des Weltwirtschaftsforums aus dem Jahr 2020 kann als Folge des Wachstums der Branche das Aufkommen an Lieferfahrzeugen bis 2030 um 36 Prozent zunehmen. Das bedeutet einen Anstieg der CO2-Emissionen um 20 Prozent. Dieses Szenario können wir uns in der aktuellen Klimasituation nicht leisten.

Das Streben nach Klimaneutralität auf der Last Mile ist zuerst eine moralische Verpflichtung. Online-Händlern bietet sich hier zudem die Chance, dem gestiegenen Umweltbewusstsein ihrer Kunden gerecht zu werden. Eine Umfrage von IPC zeigt: 61 Prozent der Online-Käufer wünschen sich eine nachhaltige Lieferung. Zwei Drittel würden sogar länger auf ihr Lieferung warten, wenn sie dafür sicher gehen können, klimaneutral beliefert zu werden.

Wie können Händler daraus Nutzen ziehen? Meiner Meinung nach sollten Händler die folgenden drei Themen umsetzen:

Nachhaltige Lieferoptionen

Der naheliegende Weg zur Verringerung der Umweltbelastungen auf der Last Mile ist die Entscheidung für nachhaltige Lieferoptionen. Dies sind die Lieferungen per Fahrrad, Elektroauto oder mit Transporthilfen zu Fuss. Leider spielt der Verbrauch von fossilen Brennstoffen immer noch die dominierende Rolle, aber der Wandel zeichnet sich klar ab.

Viele Versanddienstleister haben ambitionierte Projekte zur Senkung ihrer CO2-Emissionen auf ihrer Agenda. DHL wird laut eigener Aussagen seine Fahrzeugflotte bis 2030 komplett auf Elektrotechnologie umrüsten. Diese soll dann rund 10.000 Elektro-Transporter und 12.000 E-Lastenräder umfassen. Otto-Tochter Evri hat angekündigt, in den 80 größten deutschen Städten Sendungen bis 2025 emissionsfrei zuzustellen. Viele Händler wollen hier gleich ziehen und prüfen ihre derzeitigen Partnerschaften mit ihren Carriern auf der Last Mile. Internet Retailing berichtet in seiner Studie Sustainability: After the Buy Button, 2020, dass ASOS einen neuen Vertrag mit DPD geschlossen hat. Dieser sieht vor, dass 50 Prozent aller Lieferungen in Londons Ultra Low Emission Zone mit Elektrofahrzeugen durchgeführt werden müssen.

Online-Händler, die auf nachhaltigere Lieferoptionen setzen, profitieren nicht nur von einer besseren Umweltbilanz. Angesichts des Wachstums des Marktes in den letzten zwölf Monaten hat sich die Wettbewerbssituation deutlich verschärft. Die Gewinnung neuer Kunden wird immer kostspieliger. Deshalb suchen Händler nach Strategien, mit denen sie sich von der Konkurrenz abheben können. Kosten und Geschwindigkeit waren lange Zeit die wichtigsten Wettbewerbstreiber, doch der Wertekodex der Kunden hat sich massiv gewandelt. Eine Studie, die Metapack vor kurzem bei Internet Retailing in Auftrag gegeben hat, zeigt, dass 32 Prozent der Verbraucher eine nachhaltige Lieferung höher wertschätzen als Convenience-Faktoren.

Viele unserer Kunden sagen uns, dass sie den beschriebenen Wandel zwar gerne vorantreiben möchten, aber Schwierigkeiten bei der Umsetzung haben. Ursachen sind häufig betriebliche oder technische Einschränkungen im Hinblick auf ihre Lieferketten und E-Commerce-Plattformen. Der Großteil der Verbraucher ist immer noch an einer schnellen und kostengünstigen Lieferung interessiert. Deshalb darf dieses Kriterium nicht vernachlässigt werden. Hier bieten wir einen Lösungsansatz mit einer flexiblen Delivery-Management-Plattform. Händler haben damit die Möglichkeit, ihr Netzwerk von Versanddienstleistern sehr einfach zu diversifizieren. Der Umstieg, auch nachhaltige Lieferoptionen anzubieten, ist denkbar einfach. Dadurch verbessern sie nicht nur ihre User-Experience im Checkout, sondern steigern auch die Awareness ihrer Kunden.

Selbstabholung

Punkt zwei der Strategie für mehr Effizienz auf der letzten Meile ist das Anbieten von Alternativen zur Haustürzustellung (Out-of-Home Delivery). Das bedeutet: Verbraucher haben die Möglichkeit, ihre Bestellungen bei einem Geschäft in ihrer Nachbarschaft, einem Paketshop oder an einer PUDO (Pick-up-Drop-off)-Station abzuholen. Laut der wissenschaftlichen Untersuchung „Home Delivery vs Parcel Lockers: An Economic and Environmental Assessment“ kann durch Nutzung dieser alternativen Zustellorte die Umweltbelastung im Vergleich zur Haustürzustellung um bemerkenswerte zwei Drittel gesenkt werden. Grund ist, dass weniger CO2-Emissionen erzeugt werden, wenn viele Pakete an einem zentralen Standort gesammelt statt an viele verschiedene Standorte ausgeliefert werden.

Für den Moment ist die Haustürzustellung aber immer noch fester Bestandteil des E-Commerce. Laut dem bereits zitierten Internet Retailing-Report ist sie aktuell für 80 Prozent der Konsumenten die bevorzugte Liefermethode. Angesichts unserer Lebensumstände im Lockdown wird sich das auch in naher Zukunft nicht ändern. Händler sollten sich aber bereits jetzt Gedanken machen, wie sie im Anschluss an die Pandemie die Vielzahl der „Out-of-Home“-Liefernetzwerke besser nutzen können.

Dazu gehört, Optionen zur Selbstabholung an einem PUDO-Point besser zu vermarkten. Unseren Untersuchungen zufolge sind Händler wirtschaftlich erfolgreicher, wenn sie dem Kunden beim Checkout Optionen zur Selbstabholung anbieten. Wichtig ist hier die intelligente Auswahl der Services im Backend und die dynamische Darstellung der verschiedenen Lieferoptionen im Checkout. Die Unterstützung einer Vielzahl von Carrier-Integrationen im Checkout ist nicht State-of-the-Art. Der Einsatz der richtigen Technologie ist hier von entscheidender Bedeutung.

Click & Collect ist eine weitere Lieferoption, die von einer Vielzahl unserer Retail-Kunden erfolgreich genutzt wird. Ein großer Teil der Händler involviert seine lokalen Ladengeschäfte stärker in die Abholung und Rückgabe von Online-Paketen anderer Händler. Dadurch verbessern Händler die Klimabilanz ihrer eigenen Lieferungen und sorgen für mehr Publikumsverkehr im stationären Geschäft, was wiederum den Umsatz ankurbelt. Die Argumente für die Selbstabholung sind eindeutig: Kostengünstig, besser für die Umwelt und hoher Sympathiefaktor beim Kunden!

Rationalisierung der Last Mile 

Die Last Mile kann ihren Ruf als teuerstes und umweltschädlichstes Glied der Lieferkette ablegen, wenn die Industrie den Effizienzgedanken stärker in den Vordergrund rückt. Spezielle Angebote wie „Flexible Lieferzeitfenster“ und eine „Sendungsverfolgung in Echtzeit“ können dazu beitragen, fehlgeschlagene Lieferungen und die daraus resultierende Energieverschwendung zu vermeiden.

Wenn Händler und Paketdienstleister zudem in der Lage wären, Synergie-Effekte bei der Ressourcennutzung zu erzielen, wäre das Potenzial für Effizienzgewinne im Betriebsablauf enorm. Einzelhandel und Logistik sind traditionell hart umkämpfte Märkte. Gemeinsame Initiativen muss man mit der Lupe suchen. Aktuell können wir aber erste Anzeichen einer verstärkten Zusammenarbeit in der Branche beobachten. So haben beispielsweise Evri, UPS und Deutsche Post vor kurzem ein gemeinsames Mikro-Depot in Hamburg eröffnet, um Fahrradzustellungen in der Innenstadt zu erleichtern. Aus meiner Sicht ein großartiger Schritt in die richtige Richtung! Da die Anforderungen an Zustellgeschwindigkeit, Kosteneffizienz und Nachhaltigkeit stetig steigen, bin ich überzeugt, dass wir zukünftig weitere branchenübergreifende Kooperationen wie diese sehen werden.

Nachhaltigkeit ist für die Branche bereits ein prägendes Thema. Es muss jedoch zur obersten Priorität werden, sobald sich die Nachfrage im E-Commerce stabilisiert und das Einkaufsverhalten der Verbraucher normalisiert. Die Last Mile ist dabei der erste Ansatzpunkt – nicht nur wegen ihrer Umweltproblematik, sondern auch, weil die Verbesserungsmöglichkeiten einfach umsetzbar sind.

Ich bin überzeugt, dass die Branche hier eigenständig das Ruder in die Hand nehmen muss, bevor Regierungen und Gesetzgeber ihr diese Aufgabe abnehmen und den Kostendruck auf bereits knapp bemessene Margen weiter erhöhen. Und wenn der Druck nicht von staatlicher Seite kommt, so kommt er mit Sicherheit von den Verbrauchern selbst. Die Verbindung von Konsum und Klimabilanz ist im Bewusstsein der Kunden präsent. Dies wird sich unweigerlich im Kaufverhalten wiederspiegeln, ungeachtet der coronabedingten Ausnahmesituation. Der Übergang zu nachhaltigen Lieferoptionen ist bereits in vollem Gange – ein begrüßenswerter Prozess mit Gewinnern auf allen Seiten.

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